Komplexität, Spiel und die Technologie der Verrücktheit

logo2014vs4.png

Über die Bedingungen des Handelns in der VUCA-Welt besteht in vielerlei Hinsicht Konsens. Die Verbindungen zwischen Akteuren des Marktes werden – informations- und transporttechnisch – vielfältiger und schneller. Neue Geschäftsmodelle und der hohe Grad an Effizienz in Produktion und Logistik erhöht den Druck, neue, blaue Meere für die Unternehmung zu erschließen. In dieser Situation sind Organisationen der Herausforderung ausgesetzt, die Leitlinien und Ziele, welche die Grundlage für strategische Entscheidungen abgeben, kontinuierlich zu überdenken. Die Werte und Ziele, welche als Grundlage für Entscheidungen in der Organisation dienen, müssen immer wieder veränderten Situationen und Umweltbedingungen angepasst werden.

In den vergangenen Jahren wurde vermehrt über diesen Prozess der Findung von neuen Zielen geschrieben. Im Zuge der Entwicklung mächtiger Auswertungs- und Bewertungsalgorythmen sind Organisationen immer besser in der Lage auf der Basis gegebener Ziele und Werte gute Entscheidungen zu treffen. Doch wie werden neue Ziele entwickelt und bestehende angepasst?

Strategische Handlungen sind - heute mehr denn je - nach dem Cynefin-Modell Entscheidungen in Wirkungszusammenhängen, die komplex oder chaotisch sind. Mit anderen Worten: Woher können wir wissen, was passiert, bevor wir gehandelt haben? Einsicht in die Zusammenhänge und die komplexen Feedbackprozesse erhalten wir durch das Handeln und durch die gleichzeitige Beobachtung. Erkenntnisse und auch Erfahrungen werden im Tun gesammelt. Entsprechend kann die Tragfähigkeit von Zielen und Leitwerten erst in der Auseinandersetzung mit der komplexen Wirklichkeit bestehen. Es geht um Versuch, Test und Spiel.

Das Spiel als "eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selbst hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewußtsein des Andersseins als das gewöhnliche Leben." (Huizinga, 1987) scheint geradezu prädestiniert zu sein, einen solchen Erkenntnisgewinn zu ermöglichen.  James March hat in seinem klassischen Aufsatz zur "Technology of Foolishness" bereits 1973 eine systematische Beschäftigung mit dem Prozess der Veränderung und Anpassung von Zielen gefordert. Er sieht eine Technologie oder Praxis der Verrücktheit, in der Neues ausprobiert und versucht werden kann als Ergänzung zu der hoch entwickelten Technologie der rationalen Entscheidungsfindung (welche auf dem Abgleich von Konsequenzen von Handlungsalternativen mit bestehenden Zielen beruht). In späteren Aufsätzen spricht er auch explizit von einer Stärkung des "Spiels" in Organisationen als ein Element der Erkundung neuer Handlungsoptionen und Leitwerten.

Die aktuelle Prominenz des Design Thinking Ansatzes ist ein Beispiel, wie Sozialtechnologien und Methoden diese Forderung nach mehr "Spiel" in Organisationen unterstützen können. Gleiches gilt für die systematische Nutzung von computergestützter Modellierung oder der explorative Umgang mit Big Data.

Buchempfehlungen zum Thema:

Managing as Designing, Boland Jr., R. & Collopy, F.: Schöner Sammelband zum Thema Design Thinking und Management.

Serious Play, M. Schrage: Beschreibt wie Simulation, Spiel und datengestütztes "Prototyping" von erfolgreichen Organisationen genutzt werden um neue Produkte und Geschäftmodelle zu erschließen.

Business Model Generation, Osterwalder, A. & Pigneur, Y.: Fast schon ein Klassiker. Wie spielerisch und kreativ neue Geschäftsmodelle erarbeitet werden können.